Bundesarbeitsminister Olaf Scholz sprach in Berlin von einem "guten Tag" für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Grundlage für Mindestlöhne beim Entsendegesetz seien Tarifverträge, die repräsentativ sein müssten. Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte nach Angaben des stellvertretenden Regierungssprechers Thomas Steg die gesetzlichen Regelungen als "vernünftigen Kompromiss".Bundeswirtschaftsminister Michael Glos wertete die Gesetzentwürfe als Kompromiss, der den Vorrang tarifvertraglicher Lösungen bewahre und einen staatlich festgesetzten einheitlichen Mindestlohn verhindere.
Arbeitnehmer-Entsendegesetz neu gefasst
Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 Prozent erhalten das Angebot, in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) aufgenommen zu werden. Das AEntG bietet den Rechtsrahmen, um tarifvertragliche Mindestlöhne für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einer Branche verbindlich zu machen. Das ist unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Sitz im In- oder Ausland hat. Das Gesetz wird durch die Neufassung klarer und verständlicher. Inhaltlich haben sich im Wesentlichen folgende Änderungen ergeben:
Wird von einer neu aufgenommenen Branche erstmals ein Antrag auf Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrages gestellt, befasst sich mit diesem Antrag zunächst der Tarifausschuss. Dieser erhält Gelegenheit, über die Branche hinausgehende Erwägungen vor der Entscheidung mit einzubringen.
Für den Fall konkurrierender Tarifverträge in einer Branche werden dem Verordnungsgeber im Gesetz selbst Abwägungskriterien vorgegeben.
Ferner wird klargestellt, dass die Mindestlohntarifverträge ausnahmslos für alle in- und ausländischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verbindlich sind. Damit wird gleichzeitig den Vorgaben des europäischen Rechts Rechnung getragen.
Gespräche über Branchenmindestlöhne im Herbst
Im Gesetzentwurf zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist nicht geregelt, in welchen weiteren Branchen künftig Mindestlöhne gelten sollen. Darüber wird ab Herbst im parlamentarischen Verfahren entschieden. Dann befasst sich der Bundestag mit den Gesetzesvorhaben. Voraussetzung ist ein gemeinsamer Antrag von Tarifvertragsparteien der betreffenden Branche. Acht Wirtschaftszweige hatten zum Stichtag am 31. März 2008 eine Aufnahme ins AEntG beantragt. Bislang gibt es Mindestlöhne im Bauhaupt- und Nebengewerbe, für Gebäudereiniger und seit Jahresanfang auch für Briefdienstleistungen.
Konkurrierende Tarifverträge sorgfältig prüfen
Es können nur Tarifverträge mit bundesweiter Gültigkeit auf die gesamte Branche ausgedehnt werden. Sie dürfen nach Art der Tätigkeit, der Qualifikation und nach Ost und West differenzieren.Gibt es konkurrierende Tarifverträge mit unterschiedlichen Mindestlöhnen, hat der Gesetzgeber unter anderem zu berücksichtigen, ob die jeweiligen Tarifverträge repräsentativ sind. Dabei müssen die "widerstreitenden Grundrechtsinteressen zu einem schonenden Ausgleich" gebracht werden. Gemeint ist die Tarifautonomie, die durch die grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit geschützt ist. Hier verlangt das Gesetz eine besondere Sorgfalt bei der Entscheidung.
Mindestarbeitsbedingungengesetz von 1952 modernisiert
Das Mindestarbeitsbedingungengesetz stammt aus dem Jahr 1952 und wird modernisiert. Es gilt dann für die Wirtschaftszweige, in denen die tarifgebundenen Arbeitgeber eines Wirtschaftszweiges bundesweit weniger als 50 Prozent der unter den Geltungsbereich aller Tarifverträge fallenden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen.
Ein dauerhaft einzurichtender siebenköpfiger Hauptausschuss prüft, ob in einem Wirtschaftszweig soziale Verwerfungen vorliegen. Der Ausschuss entscheidet, ob in diesem Wirtschaftszweig Mindestarbeitsentgelte festgesetzt, geändert oder aufgehoben werden sollen.
Trifft der Hauptausschuss die Entscheidung, dass in einem Wirtschaftszweig Mindestarbeitsentgelte festgesetzt werden sollen, wird ein Fachausschuss gebildet. Der Fachausschuss legt die konkrete Höhe des jeweiligen Mindestlohns anhand vorgegebener Kriterien durch Beschluss fest. Die Bundesregierung kann auf Vorschlag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die vom Fachausschuss festgesetzten Mindestarbeitsentgelte als Rechtsverordnung erlassen. Die Rechtsverordnung kann befristet werden.
Die festgesetzten Mindestarbeitsentgelte sind für alle in- und ausländischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zwingend und unabdingbar.
Nicht betroffen sind bestehende Tarifverträge nach dem Tarifvertragsgesetz für die Zeit ihres Bestehens sowie auch künftige Nachfolgetarifverträge. Aus Gründen des Vertrauensschutzes haben diese gegenüber den festgesetzten Mindestarbeitsentgelten Vorrang.